Warum wir weiterhin gebraucht werden

© Tim Ertl

Armut und Lebensmittelverschwendung in Österreich

Seit 30 Jahren ist das Marienstüberl ein Ort, an dem niemand hungrig bleibt und niemand erklären muss, warum er Hilfe braucht. Das Marienstüberl zeigt, dass Gemeinschaft dort beginnt, wo Menschen einander sehen.

Österreich zählt zu den wohlhabendsten Ländern Europas. Trotzdem leben hier Menschen, für die ein voller Kühlschrank oder eine warme Wohnung nicht selbstverständlich sind. Rund 14,3 Prozent der Bevölkerung, also etwa 1,28 Millionen Menschen, sind armutsgefährdet. Armut kommt oft unerwartet, etwa durch zu hohe Energiekosten, fehlende Rücklagen, ungeplante Krisen und geht oft einher mit der Scham, Hilfe annehmen zu müssen. Nicht selten betrifft Armut längst auch jene Menschen, die arbeiten, aber deren Einkommen nicht ausreicht, um den Alltag zu stemmen.

Lebensmittel im Überfluss – und dennoch fehlt es vielen an vielem

Während ein erheblicher Teil der Bevölkerung mit finanziellen Engpässen kämpft, werden in Österreich enorme Mengen an Lebensmitteln weggeworfen. Jedes Jahr fallen alleine in österreichischen Haushalten rund 760.000 Tonnen Lebensmittelabfälle an. Besonders deutlich zeigt sich das Problem bei Brot und Gebäck: Jährlich landen pro Person durchschnittlich 16 Kilogramm Backwaren in der Tonne. Auch in der Steiermark werden jährlich Lebensmittel im Wert von rund 150 Millionen Euro im Jahr verschwendet - und das ausschließlich in Privathaushalten. Diese Zahlen verdeutlichen, wie widersprüchlich unsere Gesellschaft ist. Auf der einen Seite Überfluss, auf der anderen Seite Mangel. Für viele Menschen sind tägliche Mahlzeiten keine Selbstverständlichkeit, während gleichzeitig so viele Lebensmittel ungenutzt bleiben.

Was das Marienstüberl seit 30 Jahren leistet

Mit diesem Spannungsfeld ist das Marienstüberl seit 1995 täglich konfrontiert. Der offene Mittagstisch der Caritas in Graz bietet Menschen in schwierigen Lebenssituationen einen Ort, an dem sie auftanken können. Bis zu 320 Mahlzeiten werden täglich ausgegeben. Über ein Jahr verteilt sind das rund 56.000 warme Mittagessen, dazu Frühstück und Jause.

Eine Frau, die diese Entwicklung seit Jahrzehnten mitprägt, ist Schwester Elisabeth. Seit 25 Jahren ist sie aus dem Marienstüberl nicht mehr wegzudenken. Schwester Elisabeth organisiert, kocht, sortiert Lebensmittel und begleitet Menschen, die hier Halt suchen. Am Anfang haben uns Menschen oft heimlich Lebensmittel gebracht: eine Schachtel Bananen, ein paar aussortierte Brote“, erzählt sie. „Heute ist das viel offener und größer. Die Veränderung ist unglaublich.“

Doch das Marienstüberl ist weit mehr als eine Essensausgabe. Es ist ein Ort, an dem Menschen zur Ruhe kommen können, an dem Gespräche stattfinden, Sorgen Platz haben und niemand erklären muss, warum er oder sie hier ist. Die Türen stehen sieben Tage die Woche offen. Wer kommt, wird wahrgenommen, ernst genommen und respektiert. Es geht nicht nur um das Essen, sagt Schwester Elisabeth: „Es geht darum, für die Ärmsten da zu sein.“

Drei Jahrzehnte Marienstüberl bedeuten drei Jahrzehnte Unterstützung für Menschen, die durch soziale, gesundheitliche oder finanzielle Herausforderungen aus der Bahn geraten sind. Die Zahlen zur Armut und zur Lebensmittelverschwendung zeigen klar, warum diese Arbeit auch heute noch unverzichtbar ist.

Ein Blick nach vorne

Das 30-jährige Jubiläum ist ein Moment der Dankbarkeit: für alle, die das Marienstüberl tragen, und für alle, die es unterstützen. Gleichzeitig erinnert uns dieses Jubiläum daran, dass die Arbeit nicht weniger wird. Armut, Einsamkeit und auf der anderen Seite Lebensmittelverschwendung werden uns als Gesellschaft weiter beschäftigen. Doch das Marienstüberl zeigt, dass Hoffnung existiert und Hilfe möglich ist. Gemeinschaft ist möglich. Veränderung ist möglich, jeden Tag, Mahlzeit für Mahlzeit.

In einer Welt, in der so vieles im Überfluss vorhanden ist und gleichzeitig so vielen das Nötigste fehlt, erinnert das Marienstüberl daran, was wirklich zählt: dass niemand hungrig oder allein bleiben muss.

Damit das auch in Zukunft so bleibt, brauchen wir Menschen, die an unserer Seite stehen.

Ob durch eine Spende, Lebensmittel oder eine helfende Hand: jede Form der Unterstützung macht einen Unterschied. Gemeinsam schaffen wir einen Ort, an dem Wärme, Respekt und ein voller Teller selbstverständlich sind.

Mehr darüber, wie Sie das Marienstüberl unterstützen können, finden Sie in diesem Artikel.