Ein Ort der Wärme, des Zusammenhalts und der zweiten Chancen.

Freitag, 9 Uhr im Marienstüberl. Am Vormittag ist viel los. Menschen sitzen dicht an dicht, trinken Kaffee, reden miteinander oder blättern in Zeitungen. Eine Frau geht immer wieder durch den Raum und spielt mit ihrem Handy Musik ab. Trotz des Trubels wirkt alles wie eine eingespielte Routine.

Zu Beginn stehen wir etwas abseits, wollen niemanden beim Essen stören. Die Gäste am Tisch neben uns schieben ihre Teller zur Seite und bieten uns an, sich zu ihnen zu setzen. Christian, einer der Gäste, blättert durch eine Zeitung. Vor ihm steht ein dampfender Kaffee und eine halbe Nusskrone, von der er immer wieder abbeißt. Ihm gegenüber sitzt Mario, der seine Kaffeetasse festhält. Beide kommen regelmäßig ins Marienstüberl.  

Ein Ort zum Runterkommen

Mario erzählt uns, warum er hier ist: „Ich hab‘ mal gearbeitet, aber jetzt kann ich nicht mehr wegen meinem Fuß. Ich hatte einen Gefäßverschluss.“ Früher hat er hier sogar selbst als Freiwilliger mitgeholfen, Lebensmittel sortiert und ausgegeben. Heute ist er froh, dass er das Angebot nutzen kann.

Christian hat eine andere Geschichte. „Ich bin von Kärnten nach Graz gekommen. Vor vier Jahren. Ich wollte einen Neustart“, erzählt er. Nach der Scheidung und dem Verkauf seines Hauses blieb nicht viel übrig, und die Depression, die er mit Medikamenten behandelt, machte es phasenweise unmöglich zu arbeiten. Mal ging es besser, mal schlechter. „Das Geld hat für Lebensmittel einfach nicht gereicht“, sagt er.  

Über den Vinzibus hat er schließlich das Marienstüberl kennengelernt. Den ersten Schritt hierher hat er lange vor sich hergeschoben: „Ich habe mich geschämt.“ Doch als er sich dann schließlich ein Herz fasste zu kommen, sagte Schwester Elisabeth nur: „Ich habe schon gedacht, dass du heute kommst.“ Das habe ihn sofort beruhigt, erzählt er und lächelt kurz. Seitdem kommt er fast täglich, heute nur etwas später als sonst, weil er Zeit mit seiner Tochter verbracht hat.

Für beide ist das Marienstüberl mehr als eine Essensausgabe. Christian beschreibt es so: „In erster Linie würde ich sagen, dass es ein guter Ort ist, wenn man Hunger hat. Es ist ein guter Ort zum Runterkommen, um sich selbst zu finden und einfach sich selbst eine zweite Chance zu geben. Man kann so sein wie man will und man wird trotzdem irgendwen finden, mit dem man sich versteht.“  

Mario nickt und sagt: „Die Leute da sind nett. Die Schwestern vor allem. Wenn man etwas braucht, kriegt man immer was.“ In der Runde hier kennen sich viele. Man setzt sich meist zu denselben Menschen, mit denen man reden kann und ähnliche Ansichten teilt.  

Über ihr Lieblingsessen im Marienstüberl sprechen sie auch. Mario sagt: „Püree mit Laibchen. Wenn’s das gibt, muss man schnell sein.“ Christian meint nur kurz: „Lasagne.“  

Ein Stück Alltag, seit mehr als 30 Jahren 

Am Marienstüberl selbst würden beide nichts ändern. „Das Marienstüberl ist super“, sagt Mario und hebt beide Daumen. Christian schätzt, dass die freiwilligen und hauptamtliche Helfer*innen alles mit einem Lächeln im Gesicht, Respekt und Herzlichkeit handhaben. „Noch freundlicher geht’s nicht. Ich persönlich bin einfach nur dankbar“, betont er.  Fürs Marienstüberl wünscht sich Christian, dass es noch weitergeführt wird, auch wenn die Barmherzigen Schwestern ihre ehrenamtlichen Tätigkeiten eines Tages beenden. “Dass irgendwer anderes das Marienstüberl übernimmt und so stark ist wie sie. Damit den Leuten in den nächsten Generationen weiter geholfen werden kann ", betont er. 
 
Für sich selbst wünschen sie sich auch etwas: Mario möchte, „dass ich mal richtig gesund werde und dass es wieder bergauf geht“. Christian sagt: „Dass die Psyche irgendwann wieder ganz ist und die Medikamente weg können.“ Wenn seine neue Arbeitsstelle gut anläuft, will er weiterhin an Wochenenden vorbeischauen. „Vielleicht irgendwann gar nicht mehr, aber ich glaub echt, ich komm dann ab und zu her.“  

Während wir am Tisch sitzen, trinken sie ihren Kaffee aus. Wir schauen in den Raum, in dem die Menschen weiter ein- und ausgehen. Manche holen sich ein Essen, andere setzen sich dazu, wieder andere stehen nur kurz da.  

Christian stellt uns beim Hinausgehen noch Michaela vor. Er setzt sich zu ihr auf eine Bank vor dem Eingang, wir stellen uns dazu. Michaela erzählt uns, was sie am Marienstüberl besonders schätzt. “Mir gefällt die Weihnachtsfeier. Da gibt es einen schönen Christbaum. Mitten da drinnen in dem Haus. Dann singen wir Weihnachtslieder, es gibt gutes Essen und Weihnachtsgeschenke kriegen wir auch noch.”  

Das Marienstüberl ist nun schon seit 30 Jahren für viele einfach ein Platz, zu dem man gehen kann, wenn es gerade schwer ist. Für Mario und Christian ist es ein Stück Alltag und Sicherheit. Es ist ein Ort, an dem niemand erklären muss, warum er hier ist.